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Auf­bau Test­feld und Erpro­bung moder­ner Verkehrstechnik

Mün­chen, Novem­ber 2022

Nach umfang­rei­chen Vor­pla­nun­gen und recht­li­chen Prü­fun­gen haben wir Ende Juni 2022 mit dem Auf­bau des TEMPUS Test­felds begon­nen. In einem ers­ten Schritt wur­de aus­ge­wähl­te Stra­ßen­in­fra­struk­tur (z. B. Kno­ten­punk­te, Fuß­gän­ger­über­we­ge) mit moder­ner Ver­kehrs­tech­nik, die eine Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Fahr­zeu­gen ermög­licht, aus­ge­stat­tet. Dar­auf auf­bau­end wer­den u.a. die digi­ta­le Beschleu­ni­gung von Lini­en­bus­sen sowie eine Anla­ge zum Schutz vul­nerabler Ver­kehrs­teil­neh­men­der (Vul­nerable Road Users, VRU) durch die SWM und Yunex erprobt. Das Test­feld ermög­licht umfang­rei­che, inno­va­ti­ve Anwen­dungs­fäl­le, sowohl im Individual- als auch Öffent­li­chen Personennahverkehr.

Kom­mu­ni­zie­ren­de Straßeninfrastruktur

Im Stadt­ge­biet der Lan­des­haupt­stadt Mün­chen wer­den an rund 40 Ampeln (Fach­jar­gon: Licht­si­gnal­an­la­gen, LSA) intel­li­gen­te Funk­mo­du­le, soge­nann­te Road-Side-Units (RSU) instal­liert, die einen Infor­ma­ti­ons­aus­tausch der Stra­ßen­in­fra­struk­tur mit Test­fahr­zeu­gen (Infra­struc­tu­re to Vehic­le, I2V) ermög­li­chen. Dadurch wer­den auto­ma­ti­sier­te und ver­netz­te Fahr­zeu­ge (AVF) beim Erfas­sen und Ver­ste­hen der kom­ple­xen Situa­ti­on einer Kreu­zung unter­stützt und eine siche­re Fahrt über den Kno­ten­punkt rea­li­siert. Im Rah­men von TEMPUS wer­den sowohl die WLAN-basierte ITS-G5- als auch die mobil­funk­ba­sier­te C‑V2X-Kurzstrecken-Kommunikationstechnologie getestet.

Mitt­ler­wei­le wur­den rund ein Drit­tel der RSU mon­tiert und die ers­ten Test­fahr­ten zur Über­prü­fung und Vali­die­rung der aus­ge­sen­de­ten Signa­le erfolg­reich durch­ge­führt. Dabei han­delt es sich um SPaT- (Signal Pha­se and Timing) und MAP-Nachrichten, die einer­seits die aktu­el­len Zustän­de der Ampel­si­gna­le (rot-gelb-grün) und ande­rer­seits die Stra­ßen­to­po­lo­gie der jewei­li­gen Kreu­zung digi­tal beinhal­ten. Im Kreu­zungs­be­reich wer­den die RSU so plat­ziert, dass eine opti­ma­le Aus­strah­lung der Signa­le ohne Abschat­tun­gen oder Stö­run­gen sicher­ge­stellt wird. Umso frü­her ein AVF weiß, wel­cher Signal­zu­stand an der Ampel vor­herrscht, des­to bes­ser kann es sich auf die Kreu­zungs­si­tua­ti­on vor­be­rei­ten und das Fahr­ver­hal­ten dem­entspre­chend anpas­sen. Alle mit RSU aus­ge­stat­ten Kreu­zun­gen kön­nen der inter­ak­ti­ven Karte des Test­felds (sie­he Rei­ter „Karte“) ent­nom­men werden.

 

Abbil­dung 1: Links: Instal­lier­te RSU an der Kreu­zung Ler­chen­au­er Str./Spiridon-Louis-Ring (MOR 2022). Rechts: Visua­li­sie­rung einer MAP-Datei, die die erlaub­ten Fahr­be­zie­hun­gen einer Kreu­zung digi­tal abbil­det (YUNEX 2022)

 

Digi­ta­le Busbeschleunigung

Bereits heu­te wer­den alle Tram­bah­nen und ein Groß­teil der Lini­en­bus­se im Münch­ner Stadt­ge­biet beschleu­nigt. D.h. die Fahr­zeu­ge des öffent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehrs (ÖPNV) erhal­ten an den Ampeln ziel­ge­rich­tet ihr Grün­si­gnal, um die Kreu­zung schnellst­mög­lich zu pas­sie­ren. Hier­durch wird die Fahr­zeit ver­kürzt und damit die Attrak­ti­vi­tät des ÖPNV gestei­gert. Hier­für wur­den durch die städ­ti­schen Planer*innen Mel­de­punk­te vor und nach den jewei­li­gen Kreu­zun­gen fest­ge­legt. Wer­den die­se von einem Bus erreicht, wird die Ampel infor­miert und kann mit der ent­spre­chen­den Signal­pha­se reagie­ren. Die Anmel­dung der Tram­bah­nen und Bus­se an den Ampeln erfolgt hier­bei noch per Ana­log­funk. Es wird ein soge­nann­tes R09-Telegramm vom Bus aus­ge­sen­det, wel­ches die Mel­de­punkt­num­mer, das Datum, die Uhr­zeit und die Lini­en­num­mer beinhaltet.

Die fort­schrei­ten­de Digi­ta­li­sie­rung der Ver­kehrs­in­fra­struk­tur erfor­dert die Trans­for­ma­ti­on der ana­lo­gen Tram- und Bus­be­schleu­ni­gun­gen in die digi­ta­le Welt. Hier­für wird im Rah­men von TEMPUS der digi­ta­le Infor­ma­ti­ons­aus­tausch zwi­schen Lini­en­bus­sen und Ampeln erst­mals mit den Projektpartner*innen SWM und Yunex erprobt: die LSA Kieferngarten-/Heidemannstr. wird mit einer spe­zi­el­len RSU (mit Rück­ka­nal) aus­ge­stat­tet, die nicht nur Infor­ma­tio­nen aus­sen­den (I2V), son­dern auch Daten von den Lini­en­bus­sen emp­fan­gen und ver­ar­bei­ten kann (Vehic­le to Infra­struc­tu­re, V2I). Neben der Instal­la­ti­on der neu­en Hard­ware muss­ten auch Software-Anpassungen im Steu­er­ge­rät der LSA durch­ge­führt wer­den. Kon­kret wur­den die bestehen­den Mel­de­punk­te des ana­lo­gen Sys­tems dupli­ziert und das R09-Telegramm auf den digi­ta­len Anmel­de­vor­gang ange­passt. So kön­nen das bewähr­te ana­lo­ge als auch das neue digi­ta­le Sys­tem par­al­lel betrie­ben und die Funk­ti­ons­wei­se ohne gro­ße Auf­wän­de oder Sys­tem­aus­fäl­le erprobt werden.

Soll­te sich der digi­ta­le Über­tra­gungs­weg bewäh­ren, bie­tet er zukünf­tig noch deut­lich weit­rei­chen­de­re Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten. Mit­tels umfang­rei­cher Hard- und Soft­ware­an­pas­sun­gen sowie der Ver­wen­dung digi­ta­ler Tele­gram­me (SSM, SRM) könn­ten wei­te­re Para­me­ter, wie zum Bei­spiel der aktu­el­le Stand­ort oder die Län­ge der Bus­se in Echt­zeit zur Stei­ge­rung der ÖPNV-Beschleunigungsqualität her­an­ge­zo­gen wer­den. Mel­de­punk­te wür­den bei die­sem Ver­fah­ren dann nicht mehr benö­tigt werden.

Abbil­dung 2: Lage der RSU mit Rück­ka­nal sowie der Mel­de­punk­te zur Bus­be­schleu­ni­gung der Linie 178 an der Kreu­zung Kieferngarten-/Heidemannstr. (YUNEX 2022)

 

Schutz vul­nerabler Verkehrsteilnehmer*innen

Da bei Abbie­ge­vor­gän­gen ein erhöh­tes Unfall­ri­si­ko besteht, wird im Rah­men von TEMPUS ein wei­te­rer Anwen­dungs­fall der I2V-Kommunikation erprobt – der ver­bes­ser­te Schutz von VRU, wie Radfahrer*innen und Fußgänger*innen, beim Abbie­ge­vor­gang von ÖPNV-Bussen. Dazu wur­den durch Yunex Anfang Sep­tem­ber an einem Ampel- und Licht­mast der Kreu­zung Alla­cher Str./ Win­trich­ring ver­schie­de­ne Hard­ware­kom­po­nen­ten ange­bracht. Einer­seits zwei Kame­ras und eine Rechen­ein­heit, die mit­tels künst­li­cher Intel­li­genz in Echt­zeit ÖPNV-Busse und VRU als anony­me Objek­te klas­si­fi­zie­ren sowie deren Geschwin­dig­keit, Beschleu­ni­gung und Bewe­gungs­rich­tung aus­wer­ten kön­nen. Ander­seits eine RSU, die den Infor­ma­ti­ons­aus­tausch zwi­schen der Rechen­ein­heit an der Ampel und den ÖPNV-Bussen ermög­licht. Da es sich bei den erho­be­nen Daten aus­schließ­lich um anony­me Objekt­klas­si­fi­zie­run­gen han­delt, wer­den stets alle Daten­schutz­richt­li­ni­en eingehalten.

Die Funk­ti­ons­wei­se des Assis­ten­ten lässt sich fol­gen­der­ma­ßen erklä­ren: Die Bewe­gungs­da­ten der anony­men, klas­si­fi­zier­ten Objek­te (VRU, KFZ und ÖPNV-Busse) wer­den in Echt­zeit mit­ein­an­der ver­gli­chen und berech­net, ob ein mög­li­cher Kon­flikt­punkt zwi­schen einem VRU und einem sich nähern­den, abbie­gen­den Lini­en­bus ent­ste­hen könn­te – die Wahr­schein­lich­keit eines Zusam­men­sto­ßes also hoch ist. Ist dies der Fall, so sen­det die Rechen­ein­heit über die RSU eine Warn­mel­dung an den abbie­gen­den Bus aus, sodass die Busfahrer*in früh­zei­tig auf die Gefah­ren­si­tua­ti­on reagie­ren kann.

Die Her­aus­for­de­run­gen bei den anste­hen­den Tests bestehen dar­in, dass das Sys­tem mög­lichst aus­fall­si­cher gestal­tet wird, so wenig Falsch­mel­dun­gen wie mög­lich gene­riert und Kon­flikt­er­eig­nis­se mög­lichst früh­zei­tig vor­her­sa­gen kann. Soll­ten die­se Her­aus­for­de­run­gen über­wun­den wer­den, könn­te das Sys­tem auch für ande­re Fahr­zeu­ge zu Ver­fü­gung gestellt wer­den und die Sicher­heit von VRU bei Abbie­ge­vor­gän­gen wei­ter steigern.

Abbil­dung 3: Instal­lier­te Hard­ware­kom­po­nen­ten zum Schutz von VRU an der Kreu­zung Alla­cher Str./ Win­trich­ring (MOR 2022)

(Artikel/ MOR)

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